Verkehrssicherungspflicht beim Tanzturnier
Eine 60-jährige besuchte die Tanzsportveranstaltung eines Sportvereins in dessen Clubräumen. Sie saß an einem Tisch in der Nähe der Tanzfläche, die gegen 12 Uhr gereinigt worden war. Gegen 15 Uhr wollte die Klägerin in der Cafeteria einen Kaffee holen. Sie nahm nicht den möglichen Weg zwischen den Tischen und der Saalwand, sondern ging am Rand der Tanzfläche entlang. Dort stürzte sie und erlitt einen Oberschenkelhalsbruch.

Sie behauptet, sie sei auf Federn und Pailletten ausgerutscht, die von Kostümen der Tänzerinnen abgefallen seien.
Für ihr Malheur machte sie den Verein verantwortlich und verlangte ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000 € und Ersatz ihres materiellen Schadens. Zusammen über 17.000 €.

Erfolg hatte sie damit nicht. Der Verein haftete der Frau nicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Bereits die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht lag nicht vor. Allerdings haftet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Veranstalter eines planmäßig durchgeführten sportlichen Wettkampfes mit öffentlichem Interesse, zu dem Zuschauer gegen Entgelt eingeladen werden, wenn er eine Gefahr schafft, indem er einen Zustand, von dem für die Zuschauer eine Gefährdung ausgeht, herbeiführt oder andauern läßt

Hier war zwar der gefährliche Zustand (glattes Parkett) nicht (allein) durch den Verein als Veranstalter herbeigeführt worden ist, sondern auch dadurch, dass das Parkett dadurch, dass Turnierteilnehmer/innen, die Federn oder Pailletten verloren hatten und wohl auch Schweißtropfen noch "rutschgefährlicher" geworden war. Da dies jedoch in den von dem Veranstalter "beherrschten" Räumlichkeiten geschah, ist er auch wegen der so entstandenen Gefahren grundsätzlich verkehrssicherungspflichtig.

Da eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, jedoch nicht erreichbar ist, sind allerdings nur diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren, die bei bestimmungsgemäßer Benutzung drohen, von Dritten abzuwenden. Notwendig sind also nur solche zumutbaren Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere vor Schaden zu bewahren. Dabei ist der Umfang der Verkehrssicherungspflicht anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen.

Nicht gefolgt werden kann der Klägerin in ihrem Vorwurf, die Beklagte habe es bereits in organisatorischer Hinsicht unterlassen, den Zuschauern die Möglichkeit zu eröffnen, den Gastraum oder die Toiletten über den Weg zwischen den aufgestellten Tischen und Stühlen und der Saalwand zu erreichen. Dass dieser Weg nicht hätte gewählt werden können, geht aus ihrem eigenen Vorbringen nicht hervor. Aus diesem ergibt sich vielmehr lediglich, dass es beschwerlich war, diesem Weg mit einem Getränk in der Hand zu begehen, da dort Tänzer, Tänzerinnen, Zuschauer und Videofilmer standen. Regelmäßige Aufforderungen, diesen Bereich zu räumen, können von der Beklagten als Veranstalterin jedoch nicht verlangt werden, zumal es durch eine Bitte für eine "Passantin" unschwer möglich war, sich einen Weg zu bannen.

"Bauliche" Maßnahmen wie die in der Berufungsbegründung angesprochene Abgrenzung des von der Klägerin benutzten Weges von der reinen Tanzfläche durch eine Bande oder das Anbringen von Matten bzw. Teppichstreifen sind bei Tanzturnieren absolut unüblich, zumal viele Zuschauer gerade Wert darauf legen, dass die Tänzer auch einmal ganz nahe an ihren Tisch herankommen, damit sie die Darbietung des betreffenden Paares aus allernächster Nähe besonders gut verfolgen können. Im übrigen handelte es sich nicht um einen offiziell als solchen eröffneten "Laufweg".

Als Verkehrssicherungsmaßnahme kam mithin allenfalls eine Reinigung sowie eine Kontrolle des Fußbodens des von der Klägerin begangenen Bereiches auf heruntergefallene Partikel hin in Betracht. Die Klägerin, die gegen 15 Uhr gestürzt ist, räumt selbst ein, dass hier- um 12 Uhr- eine Reinigung des Parkettes stattgefunden hatte. Dies reichte aus. Die von ihr angesprochene notfalls ständige Kontrolle - in Form einer Reinigung nach jedem "Tanz-Durchgang" - war nicht geboten. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob eine solche üblich ist, was allein aus den von der Klägerin überreichten Fotos (Bl. 124-126 GA) nicht hergeleitet werden kann, und es bedurfte nicht der klägerseits beantragten Beweiserhebung zur Üblichkeit einer derartigen Reinigung. Anders als in den - für herabfallende Abfälle besonders anfälligen - Obst- und Gemüseabteilungen von Supermärkten, bei denen die Kontrolle und Reinigung der entsprechenden Bereiche in angemessen kurzen zeitlichen Abständen erforderlich ist (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1995, 861 - zur Verkehrssicherungspflicht in der Gemüseabteilung eines SB-Marktes -; eine ständige Kontrolle ist aber selbst dort nicht geboten, vgl. OLG Köln, a.a.O.), ist die Gefahr, dass Gegenstände auf den Boden geraten, nämlich bei einem Tanzturnier bei weitem nicht so groß.

Zwar kann es schon einmal vorkommen, dass eine Feder oder Pailletten von einem Kostüm herunterfallen. Dies geschieht jedoch nicht in einem solchen Ausmaß, dass die Tanzfläche jedesmal, wenn die Turniertänzer sie verlassen, mit derartigen Partikeln bedeckt wäre. Die zeitliche Dichte von Reinigungsarbeiten hat sich nach dem Ausmaß der möglichen Gefahren zu richten. Demnach kann darin, dass die Beklagte hier nach der um 12 Uhr erfolgten Reinigung keine weitere Kontrolle vorgenommen hatte, keine Verletzung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht gesehen werden.

Im übrigen scheidet eine Haftung der Beklagten aus, weil wegen ganz überwiegenden Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB) für eine Haftung der Beklagtenseite kein Raum mehr bleibt.

Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob sich das aus dem Lichtbild Hülle Bl. 140 GA ersichtliche Schild, das warnend auf die Glätte des Parketts - allerdings nicht auf deren Verstärkung durch heruntergefallene Partikel - hinwies, tatsächlich auch am Unfalltage an der Saaleingangstür angebracht war. Selbst die Beklagte trägt nur vor, dieses sei dort "grundsätzlich angebracht".

Ein erhebliches Mitverschulden ist der Klägerin deshalb anzulasten, weil sie in Anbetracht des allgemeinkundigen Umstandes, dass Parkett glatt ist, als Laufweg die Tanzfläche wählte, statt den Gastraum auf dem Weg zwischen den Tischen und der Saalwand aufzusuchen. Wenn sie vorträgt, dort hätten sehr viele Zuschauer, Tänzerinnen, Tänzer und Videofilmer einen ungehinderten Durchgang nicht zugelassen, ist dies unbehelflich. Zum einen hat sie im ersten Rechtszug geltend gemacht, der Durchgang sei aus diesem Grunde mit einem Getränk in der Hand nicht möglich gewesen; sie befand sich aber erst auf dem Weg zum Gastraum, um sich dort einen Kaffee zu kaufen. Zum anderen bestand - ob mit oder ohne Getränk - ohne weiteres die Möglichkeit, sich durch eine Bitte den Weg zu bahnen.

Oberlandesgericht Düsseldorf vom 14.2.1997 – 22 U 137/96 -
Quelle: aragvid-suv 07/09

Haftung eines Vereins für Reittherapie

Bundesgerichtshof entscheidet zur Haftung eines Vereins
für Reittherapie von Behinderten für einen Unfall
bei der Reitausbildung


Der für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat entschieden, dass einem Idealverein, der sich nach seinem Vereinszweck der Reittherapie von Behinderten widmet, die Entlastungsmöglichkeit über das so genannte Nutztierprivileg im Sinne des § 833 Satz 2 BGB* bei einem Reitunfall mit einem Vereinspferd versagt ist.

Die Klägerin begehrte Schadensersatz wegen eines Reitunfalls, bei dem sie sich bei einem Sturz von dem Pferd "Ronny" eine Lendenwirbelfraktur zuzog. Halter des Pferdes ist der Beklagte zu 2, ein eingetragener Verein für Reittherapie von Behinderten. Der Beklagte zu 1 erteilte der Klägerin, die an einer Behinderung leidet, und deren Tochter G. in der Halle eine Reitstunde. G. ritt auf dem Pferd "Princess", dessen Halter der Beklagte zu 1 ist, voraus. Die genaue Entwicklung des Reitunfalls ist zwischen den Parteien streitig. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts wurde der Sturz jedenfalls dadurch verursacht, dass "Ronny" aus dem Galopp heraus durch ein vorausgegangenes Verhalten von "Princess" abrupt stehen blieb.

Das Oberlandesgericht hat der Klage gegen beide Beklagten stattgegeben. Es hat die Revision für den beklagten Verein zugelassen, weil die Frage der Entlastungsmöglichkeit des § 833 Satz 2 BGB*für einen Idealverein, der seine Pferde - ohne Gewinnerzielungsabsicht - zur Verfolgung seiner als gemeinnützig anerkannten, satzungsmäßigen Zwecke halte, grundsätzliche Bedeutung habe und es hierzu unterschiedliche Auffassungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung gebe.

Die Revision hatte keinen Erfolg. Die Tierhalterhaftung ist in § 833 Satz 1 BGB* als Gefährdungshaftung ausgestaltet. Das Gesetz räumt nach § 833 Satz 2 BGB* dem Tierhalter die Möglichkeit, sich von der Gefährdungshaftung des § 833 Satz 1* BGB durch den Nachweis zu entlasten, bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet zu haben, nur dann ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht worden ist, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist. Dies ist bei einem Idealverein, der sich im Rahmen seiner satzungsmäßigen Aufgabe der Reittherapie von Behinderten widmet, grundsätzlich nicht der Fall.

Der Klägerin war auch kein Mitverschulden anzulasten, weil sie trotz ihrer körperlichen Beeinträchtigung überhaupt Reitstunden genommen hat. Denn sie konnte damit rechnen, dass die Reitausbildung ihrer Behinderung Rechnung trug.

Urteil vom 21. Dezember 2010 – VI ZR 312/09

LG Dortmund – 12 O 264/06 - Entscheidung vom 14. November 2008

OLG Hamm – I-9 U 11/09 - Entscheidung vom 22. September 2009

Karlsruhe, den 21. Dezember 2010

*§ 833 BGB

Haftung des Tierhalters

Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs